Das Unternehmen strebt hierzu offenbar eine Zusammenarbeit mit Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern an. Für diese stellen sich jedoch komplizierte berufsrechtliche Fragen (insbesondere zum Behandlungsvertrag, zur Sorgfaltspflicht, zur Honorargestaltung, zur Umsatzsteuer, zur Hygiene, zur Berufshaftpflichtversicherung und zum Verbot der Heilkunde im Umherziehen).

Der Dortmunder Rechtsanwalt Dr. René Sasse hat die Agentur am 25.11.2022 im Auftrag der beiden Berufsverbände BDH-Bund Deutscher Heilpraktiker e.V. - und FH-Freie Heilpraktiker e.V. angeschrieben und auf die problematischen Punkte hingewiesen. Es wurde um die Beantwortung eines Fragenkatalogs vor "Einleitung weiterer Maßnahmen" gebeten. Nach Übermittlung des Schreibens wurde die entsprechende Internet-Seite vom Netz genommen. Wir werden den Vorgang weiter beobachten und bitten alle Kolleginnen und Kollegen, die hier im weiteren aufgeführten Probleme exemplarisch zu bedenken.

Welche Probleme können bei solch einem Geschäftsmodell für Heilpraktiker/innen entstehen
Aktuell wirbt eine Event-Agentur damit, Kunden mit Vitamin-Infusionen zu beliefern. Dies erfolgt wahlweise nach Hause als auch direkt in die nähere Umgebung des Kunden. Die Infusionen sollen nach den Ausführungen auf der Website des Anbieters z.B. „nach einer langen Nacht, als Immunkur oder für das tägliches Workout“ förderlich sein.

Da es sich bei einer solchen Verabreichung von Infusionen um Ausübung der Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes handelt, strebt das Unternehmen offenbar eine Zusammenarbeit mit Heilpraktikern an. Es hat jüngst Heilpraktiker angeschrieben. Diese sollen eigenverantwortlich die Behandlung, einschließlich Abschluss des Behandlungsvertrages, Anamnese, Aufklärung, Dokumentation und Gabe der Vitamin-Infusionen bei den Kunden vor Ort oder in der Praxis übernehmen. Die Auftragsanfragen würden über das Online-Portal oder das Call-Center der Event-Agentur vermittelt.

Für Heilpraktiker stellen sich bei dieser Tätigkeit jedoch komplizierte berufsrechtliche Fragen; zudem erscheinen einige Angaben widersprüchlich. Das Unternehmen gibt auf seiner Website bereits Preise an, dies widerspricht dem Umstand, dass der Heilpraktiker den Behandlungsvertrag eigenständig abschließen soll. Die Preise sind nach unserer Auffassung zudem recht hoch angesetzt. Die genauen Vertragsverhältnisse sind nicht nachvollziehbar, ebenso bleibt unklar, wer die Höhe des Honorars tatsächlich festsetzt und wer dieses abrechnet. Heilkundliche Eingriffe zu den oben genannten Zwecken fallen zudem nicht unter die Mehrwertsteuerbefreiung. Die Steuerbefreiung gilt nur für Leistungen, die dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Heilpraktiker müssen dafür Sorge tragen, dass entsprechende Einnahmen von den mehrwertsteuerbefreiten Einnahmen getrennt werden. Ggfs, ist auch eine Gewerbeanmeldung erforderlich.

Unklar ist noch, woher die Infusionen stammen und wie bzw. durch wen konkret die Lieferung erfolgt. Der Ablauf der Behandlung ruft weitere Bedenken hervor. So bucht der Kunde auf der Website des Anbieters bereits einen Termin für eine spezielle Infusion, z.B. einen „Vitamin C Kick“ für 159 €. Allerdings wird auf der Webseite ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zusammensetzung und Dosierung der einzelnen Vitamine und Inhaltsstoffe dem jeweiligen Heilpraktiker obliegt und speziell angepasst auf den jeweiligen Einzelfall erfolgen würde. Der Heilpraktiker würde vor Ort umfassend über die jeweilige Zusammensetzung informieren, bevor diese verabreicht wird.

Dieses Vorgehen dürfte im Alltag problematisch sein. Einerseits trifft den Heilpraktiker die alleinige therapeutische Verantwortlichkeit, andererseits hat der Kunde konkrete Vorstellungen über das online erworbene Produkt. Zudem dürfte es schwierig sein, bei Personen, die „nach einer langen Nacht“ eine Infusion gebucht haben, noch eine korrekte Anamnese vorzunehmen. Dies gilt erst recht bei z.B. alkoholisierten Personen. Was geschieht, wenn die vom Heilpraktiker für richtig befundene Infusion nicht der erworbenen Infusion entspricht oder vom Preis abweicht.

Der Heilpraktiker muss jeweils sofort erkennen können, welche Infusion medizinisch hilfreich sein könnte und Kontraindikationen ausschließen können. Zudem müssen die Gegebenheiten vor Ort eine Tätigkeit nach Maßgabe der Hygieneregelungen zulassen. Da der Heilpraktiker diese Gegebenheiten nicht kennt, dürfte unklar sein, wie er seine rechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Hygienevorgaben sicherstellen kann.

Da es sich nicht um eine „normale“ Heilpraktikerleistung handelt, wäre weiterhin zu klären, ob die Berufshaftpflichtversicherung die hier beschriebene Tätigkeit abdeckt oder ob eventuell eine Erweiterung erforderlich ist.

Abschließend ist noch das Verbot der Ausübung der Heilkunde im Umherziehen im Blick zu behalten. Zwar sind gelegentliche Hausbesuche zulässig, die hier beschriebene Tätigkeit kann hierüber jedoch je nach Ausgestaltung eventuell hinausgehen.

Fazit: Aktuell wirbt eine Event-Agentur damit, Kunden mit Vitamin-Infusionen zu beliefern. Das Unternehmen strebt hierzu offenbar eine Zusammenarbeit mit Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern an. Für diese stellen sich jedoch komplizierte berufsrechtliche Fragen (insbesondere zum Behandlungsvertrag, zur Sorgfaltspflicht, zur Honorargestaltung, zur Umsatzsteuer, zur Hygiene, zur Berufshaftpflichtversicherung und zum Verbot der Heilkunde im Umherziehen).