Von der Gemeinsamkeit der Heilpraktiker/innen, einer zentralen Vertretung und den vielen Berufs- und Fachverbänden

Wäre es nicht der einfachste Weg, sich in nur einem Verband zu organisieren? Das genau dieses seit vielen Jahrzehnten nicht geschieht, hat viele gute Gründe. Pluralismus ist ein wesentliches Element in einem demokratischen Rechtsstaat. Die Menschen und ihre Ideen sind vielfältig und alle haben im Rahmen der Verfassung das Recht, diese Vielfältigkeit auch zu leben.

Berufs- und Fachverbände spiegeln diese Unterschiedlichkeit, viele Ideen zu haben und diese auch umzusetzen, zumindest den Versuch zu starten. Heilpraktiker/innen gründen neue Verbände, wann immer und warum immer sie dies für notwendig erachten.

  • Dies gilt erst recht, wenn die Vorstellungen unterschiedlicher Natur sind. Hier einige Beispiele:
    -Wie nah sollen die Heilpraktiker/innen an die universitäre Medizin heranrücken? Geht das überhaupt?
    -Wie soll Therapiefreiheit im Spannungsfeld von Patientenschutz, Ausbildung und Wissenschaftlichkeit bestehen können?
    -Wie lässt sich unsere Ausbildung regeln (Reglementieren), wollen wir das überhaupt?
    -Wie engmaschig muss Aufsicht über die Praxen stattfinden und wer übt diese aus?

Alleine aus diesen Fragestellungen könnten mehrere neue Berufsverbände entstehen.

So ist es aber auch in jedem anderen Gesundheitsberuf. Lediglich bei den Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten gibt es durch die Zwangsmitgliedschaft in den jeweiligen halbstaatlichen Berufskammern mit ordnungsrechtlichen Funktionen den Anschein von Einheitlichkeit. Im Pflegeberuf ist die Einführung von Kammern umstritten.
Neben den Kammern existieren aber viele, viele Berufs- und Fachverbände und die Auseinandersetzung kann heftig sein.

Jahrzehntelang hatte sich der Gesetzgeber weitestgehend aus der Organisierung der Heilpraktiker/innen herausgehalten. Die Gesetze und Verordnungen über die Rechte und Pflichten schienen auszureichen.

Das hat sich offensichtlich geändert. Berufsrechtliche Veränderungen stehen an. Und der Wissensstand über das Heilpraktiker-Recht ist unterschiedlich stark ausgeprägt.

„Dass ältere Ansätze, die teilweise über Jahrzehnte diskutiert wurden, keine Lösung bieten, sollte klar sein: Wenn die Argumente dieselben sind, werden die Antworten ebenfalls dieselben bleiben. Und das hat nicht aus der bisherigen Situation geführt. Es werden neue, kreative Ansätze gebraucht, die von allen Beteiligten die Bereitschaft zur Bewegung verlangen.„
(Zitat aus: Zukunftsperspektiven für die Ausbildung … Fachverband deutsche Heilpraktikerschulen e.V. Juni 2020)

Es dürfte deshalb wichtig sein, über das Thema Ziele, Zusammenarbeit und Kommunikation - sprich: Gesprächskultur untereinander - verstärkt nachzudenken und vor allem zu reden.

Es gibt keine zentrale Vertretung der Heilpraktiker/innen.

Einheitlichkeit unter den Verbänden ist vielleicht im traditionellen Sinne nicht möglich und auch nicht notwendig.

Es gibt die Gesamtkonferenz Deutscher Heilpraktikerverbände, den DDH-Dachverband Deutscher Heilpraktikerverbände, das Offenbacher Informationstreffen, bis 2021 die sog. HP1-Runde, die für das Eckpunktepapier verantwortlich zeichnet und weitere themenorientierte Zusammenarbeitsformen (Das gemeinsame Gutachten zum Heilpraktikerrecht oder die gemeinsame Stellungnahme gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium)

Es ist nicht problematisch und auch kein Nachteil für Zusammenarbeit, wenn Information und Austausch auf verschiedenen Ebenen und unter verschiedenen Netzwerken stattfindet. Wichtig ist nur, dass ein respektvoller und ehrlicher Umgang miteinander geführt wird.

Wichtig in der Zusammenarbeit ist auch, dass diese nicht als Selbstzweck stattfindet. Wir müssen daraus Handlungen entwickeln können, wodurch es einen Sinn macht, Gemeinsamkeit, Gemeinschaft zu organisieren.

Zuhören, Argumente austauschen und reflektieren, ob es Veränderungen oder Verbesserungen an der eigenen Position geben müsste. So entsteht Gemeinsamkeit und wenn das viele machen, hätten wir die beste Zusammenarbeit, die man sich überhaupt nur vorstellen kann.

Und dann erst wird wirklich trennendes sichtbar.

Politische Kreise (Abgeordnete, Ministerien) wünschen sich Ansprechpartner unter den Heilpraktiker/innen und Verbänden, die für alle oder zumindest viele sprechen können. Dazu bedarf es einer formalen Ebene, die auf Können, Offenheit, Vertrauen und Toleranz aufbaut.

Ob das durch die bisherigen Verbände und Verbandszusammenschlüsse erreicht werden kann, stellt eine große Herausforderung dar.

Dieter Siewertsen
Vorsitzender Freie Heilpraktiker e.V.
Düsseldorf, den 04.09.2020, zuletzt aktualisiert am 19.10.2023

*Es gibt keine gesicherten Zahlen über die Anzahl der Voll- und Teilzeitpraxen. Auch ist nicht bekannt, wieviele sektorale Heilpraktiker/innen in dieser Zahl enthalten sind (eingeschränkt auf bestimmte Gebiete wie Psychotherapie oder Physiotherapie). Das Meldesystem ist in vielen Bundesländern unterschiedlich und uneinheitlich. Wir orientieren uns an den Zahlen des statistischen Bundesamtes und eigenen Erhebungen.